Das Licht der Welt erblickte ich zu Oberlauda bei Lauda und Tauberbischofsheim im warmen, anmutigen Taubertale, einem tiefeingeschnittenen Seitentale des Maintales, am achtzehnten Juli des Jahres eintausend acht hundert einunddreißig, morgens sieben Uhr, d. i. zu gleicher Stunde und am gleichen Tage (versteht sich, nur nicht im gleichen Jahre) wie mein lieber Vater Johann Philipp Schleyer, geb. 18. Juli 1802, Hauptlehrer zu Rieneck im Odenwalde und zu Oberlauda, dessen Vater und Großvater ebenfalls Lehrer waren. Auch Onkel, Vetter, Neffen... hatte und habe ich, welche Lehrer waren und sind, so daß unsere Familie vorherrschend als eine Lehrersfamilie bezeichnet werden kann.
Meine liebe Mutter ist Elisabeth, geborene Veith, welche aus gleichem Dorfe stammt, wie mein Vater, nämlich von Neckargerach bei Mosbach im romantischen Tale des Neckars.
Aus beiden Familien meiner Eltern stammen mehrere Geistliche, nämlich der geistliche Rat, Pfarrer, Doktor und ehemalige Kirchengeschichts-Professor an der Universität zu Freiburg im Breisgau, dessen Vorlesungen ich noch hörte; ferner der Dekan, geistliche Rat und Stadtpfarrer Anton Haaf zu Lauda*, welchem unsere Familie viel zu danken hat; ebenso Pfarrer Johann Baptist Haaf, welchem ich den Beginn meiner Studien verdanke...
* Zu diesem ihrem Onkel in Lauda brachte meine Mutter mich als drei Monate altes Kind an dessen Kranken- und Sterbelager, und ließ mich von ihm segnen. Derselbe bemerkte meiner Mutter: "Gib mir, Elisabeth! auf dieses Kind recht acht; denn nach seinem Köpfchen zu schließen, wird einst etwas aus ihm werden."
Mein Geburtshaus ist nicht das Oberlaudaer Schulhaus neben der Kirche, sondern das südlich vom Schulhause gegen den sog. Schloßberg gelegene alte Schulhaus, welches jetzt noch (1880) dem Landwirt Peter Mühling (oder seinem Sohn) gehört.
Mein Geburtstag ist durch ein seltsames und großartiges Naturereignis ausgezeichnet, nämlich durch das rasche Verschwinden der im mittelländischen Meer gelegenen Insel Ferdinander, welche nicht lange nachher durch vulkanische Kräfte aus den Mereswogen auftauchte und am 18. Juli 1831 in die Lüfte flog.
Soweit mein Selbstbewußtsein in die Kinderjahre zurückreicht, sind die ersten Erinnerungen, welche in demselben auftreten, ein Schmerz und eine Freude: Diesen ersten mir selbst bewußten Schmerz empfand ich, als mich im Jahre 1834 oder 1835 unsere Magd auf einem vom Schulhausneubau nach hinter dem neuen Schulhaus liegenden behauenen Balken barfuß hin und her laufen ließ, wobei mir ein Splitter in meine Zehe drang, welcher mich verwundete und mir ziemlich wehe tat, worüber meine ersten mir bewußten Tränen flossen. Die erste Freude wahrhaft idyllischer, romantischer, ja paradiesischer Art aber empfand ich mit 4 oder 5 Jahren, als mich unsere Magd an einem schönen Frühlingstage, wahrscheinlich zum erstenmale in den Laudaer sog. Bürgerwald, auf Oberlaudaer Gemarkung gelegen, mitnahm, woselbst ihr Bruder mir eine Waldpfeife, ein sog. Posthörnchen, schnitt, das mir, der von Kindheit an ein großer Musikfreund war, eine unbeschreibliche Freude machte. Von dort an ist zeitlebens der Aufenthalt im Walde mir einer der liebsten: so tief und nachhaltig sind die ersten Jugendeindrücke.
Die Hauptorte, an denen ich mich zeitlebens befand, sind, kurzbemerkt, folgende: